Die Illusion des Vertrauens

Der feine Unterschied zwischen Vertrauen und Konditionierung19.09.2024

In der Welt der Hundehaltung ist eines unbestreitbar: Vertrauen ist das Fundament für eine gelungene Beziehung zwischen Mensch und Hund. Und doch stellt sich die Frage: Zeigt unser Hund echtes Vertrauen oder handelt es sich dabei eher um eine Form der Konditionierung, die uns glauben lässt, dass unser Hund uns vertraut, während in Wirklichkeit seine Reaktionen auf erlernte Verhaltensweisen basieren?

 

Lasst uns gemeinsam etwas genauer hinschauen. Du hast sicher folgenden Satz schon gehört: "Ich regle alles für meinen Hund, denn das gehört zu einer guten Führung und wenn der Hund mir vertraut, dann bleibt er völlig ruhig und entspannt"? Viele glauben, dass ein Hund, der uns vertraut, völlig ruhig und gelassen bleibt. Aber ist das wirklich der Fall?

 

Stell dir folgende Szene vor: Du stehst vor einer Situation, die Dir große Angst bereitet. Der bloße Gedanke daran lässt Deinen Puls höherschlagen. Deine Freundin, der du voll und ganz vertraust, sagt Dir, dass du keinerlei Angst haben musst, weil sie selbst auch keine Angst verspürt. Frag dich, ob Du in diesem Moment entspannt bleiben und ohne Furcht an der Seite Deiner Freundin in diese beängstigende Situation gehen würdest? Die ehrliche Antwort ist höchstwahrscheinlich: Nein.

 

Und doch erwarten wir von unseren Hunden, dass sie sich entspannen und uns vertrauen, nur weil wir keine Angst haben. Ist das nicht paradox? Für eine vertrauensvolle Beziehung zu Deinem Hund ist es wichtig, dass Du verstehst, dass Vertrauen nicht einfach vom Menschen auf den Hund übertragen werden kann.

 

Trainieren wir mit unseren Hunden, belohnen wir die Verhaltensweisen, die wir von ihnen in Zukunft öfter sehen wollen. Sei es das Sitzenbleiben auf Kommando, das ruhige Warten, während wir uns mit anderen Menschen unterhalten oder das ruhige vorbeigehen an anderen Hunden. Diese Verhaltensweisen werden i.d.R. durch positive Verstärkung aufgebaut und gefestigt. Der Hund lernt, dass er für bestimmte Verhaltensweisen eine Belohnung erhält. Das ist ein effektives Training, doch es führt auch zu einer gefährlichen Annahme: Wir glauben, dass unser Hund uns vertraut, weil er unsere Kommandos befolgt.

 

In Wirklichkeit ist es ehr so, dass der Hund durch dieses Training einfach ein Ritual gelernt hat, dass er in den jeweiligen Situationen abruft und zeigt. Diese Art der Konditionierung kann die Interaktion zwischen Mensch und Hund trüben und ein falsches Bild von Vertrauen vermitteln. Vertrauen ist aber weit mehr als nur Konditionierung. Echtes Vertrauen zwischen Hund und Halter ist ein vielschichtiger Prozess, der weit über positive Verstärkung hinausgeht. Vertrauen entsteht durch gemeinsame Erlebnisse, emotionale Bindung, tiefes Verständnis füreinander und indem man den Hunden den Raum gibt, sich selbst auszuprobieren und selbstwirksam positive Erlebnisse zu haben.

 

Hunde sind nicht nur unsere vierbeinigen Begleiter, sondern auch unsere Freunde und Familienmitglieder. Sie verdienen es, in einer Beziehung zu leben, die auf mehr als nur Gehorsam basiert. Wenn wir in der Lage sind, das Vertrauen zu fördern, das über die Konditionierung hinausgeht, schaffen wir eine tiefere und erfüllendere Beziehung – eine, die auf Respekt, Verständnis und Liebe beruht.