Der Weg der Veränderung

Der Teufelskreis der festgefahrenen Muster12.11.2024

Der Weg zur Veränderung ist oft komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Das gilt sowohl für Hunde als auch für ihre Halter. Oftmals fokussieren wir uns auf das äußere Verhalten – das Bellen, das Ziehen an der Leine, die Aggression gegenüber anderen Hunden. Doch dieses Verhalten ist nur die Spitze des Eisbergs. Dahinter liegen tief verwurzelte Haltungen, Überzeugungen und Erfahrungen, die das Handeln steuern.

 

Wenn ein Hund beispielsweise in Hundebegegnungen aggressiv reagiert, so ist das nicht einfach nur ein Ausdruck von „bösem“ Verhalten. Es ist vielmehr ein Ausdruck einer inneren Haltung, die sich im Laufe seines Lebens entwickelt hat. Vielleicht hat er in der Vergangenheit gelernt, dass Aggression der effektivste Weg ist, um Konflikte zu lösen oder Ressourcen zu sichern. Diese Erfahrung hat sich in seinem Gehirn verankert und führt dazu, dass er in ähnlichen Situationen immer wieder ähnlich reagiert.

 

Um nachhaltige Veränderungen im Verhalten zu erreichen, ist es wichtig, die zugrunde liegenden Einstellungen und Überzeugungen zu erkennen, die Handeln prägen. Denn diese Überzeugungen durch gemachte Erfahrungen verfestigen sich. Bei uns, wie wir mit unseren Hunden umgehen und beim Hund, wie er mit der für ihn schwierigen Situationen umgeht.

 

Wenn ein Lebewesen eine Lösung für ein Problem findet, sammelt es eine Erfahrung, die seine Denkweise verändert. Diese innere Überzeugung beeinflusst dann sein Verhalten in ähnlichen Situationen und sorgt dafür, dass es glaubt, Herausforderungen leicht meistern zu können. Das Verhalten ist immer ein Ausdruck der inneren Haltung, die im Gehirn verankert ist.

 

Wenn also Hundehalter glauben, dass Strafen und Korrekturen funktionieren, verfestigt sich in ihnen die Überzeugung, dass dies der richtige Weg ist, um ihren Hund zu erziehen und er wird weiterhin zu Strafen greifen, selbst dann, wenn diese langfristig gesehen kontraproduktiv sind. Diese festen Vorstellungen führen dazu, dass sie sich nicht für alternative Lösungen öffnen. Sie versuchen, ihre Sichtweise durchzusetzen, was zu weiteren Konflikten führt.

Sowohl Hunde als auch Menschen neigen dazu, in festgefahrenen Mustern zu verharren. Das liegt daran, dass das Gehirn ein Energiesparer ist. Einmal erlernte Verhaltensweisen werden bevorzugt, da sie weniger kognitive Anstrengung erfordern. Neue Verhaltensweisen bedeuten hingegen Unsicherheit und das Risiko, Fehler zu machen.

 

Um Veränderungen herbeizuführen, ist es nicht ausreichend, einfach nur Anweisungen zu geben oder zu verlangen, dass bestimmte Verhaltensweisen geändert werden. Solche Ansätze führen lediglich zu vorübergehenden Anpassungen, ohne die zugrunde liegende innere Einstellung zu verändern. Wir können nicht erwarten, dass ein Hund sich verändert, nur weil wir es ihm sagen. Dies führt dazu, dass sowohl Halter als auch Hunde in alte Muster zurückfallen, sobald die unmittelbare Kontrolle wegfällt.

 

Um aus diesen Mustern auszubrechen, ist Mut erforderlich. Mut, das Bekannte hinter sich zu lassen und sich auf Neues einzulassen. Mut, alte Überzeugungen in Frage zu stellen und neue Wege zu gehen.

 

Für mich als Hundetrainer ist deshalb die Erkenntnis so wichtig, dass sowohl Hundehalter als auch Hunde nur aus sich selbst heraus Veränderungen herbeiführen können! Die Selbstwirksamkeit ist dazu der Schlüssel zu nachhaltigem Lernen und Wachstum. Wenn wir die Illusion ablegen, dass wir einen Hund durch Belohnung oder Bestrafung „formen“ können, wird deutlich, dass wir stattdessen eine Beziehung aufbauen müssen, die auf Vertrauen und Verbundenheit basiert. Denn so fühlt sich der Hund unterstützt und ermutigt, neue Verhaltensweisen auszuprobieren. Die Angst vor dem Scheitern wird reduziert, und er ist bereit, sich auf den Prozess der Veränderung einzulassen.

 

Damit der Hund bereit ist, sein Verhalten ändern zu wollen, müssen wir ihm die Möglichkeit geben, seine eigenen Erfahrungen zu machen und daraus zu lernen. Dies bedeutet, ihm die Angst zu nehmen, ein neues Verhalten auszuprobieren. Wenn der Hund merkt, dass er aktiv eine eskalierende Situation deeskalieren kann, kann er daraus lernen. Vertrauen und eine enge Verbindung sind entscheidend, wenn es darum geht, Veränderungen zu erreichen. Wenn ein Hund merkt, dass er seinem Halter wichtig ist, wird er eher bereit sein, neue Dinge auszuprobieren.

 

Der Weg der Veränderung ist ein individueller Prozess, der Zeit und Geduld erfordert. Es geht nicht darum, perfekte Hunde oder perfekte Halter zu erschaffen. Es geht darum, eine tiefe Verbindung aufzubauen und gemeinsam zu wachsen. Daher lege ich in meiner Arbeit mit den Mensch-Hund-Teams auch großen Wert darauf, die zugrunde liegenden Haltungen und Überzeugungen anzusprechen. Nur dann ist es möglich echte Veränderungen herbeizuführen – sowohl im Verhalten des Hundes als auch im Umgang des Halters mit seinem Hund.