Die Faszination für Hunde aus dem Tierschutz

Teil 0124.01.2024

Immer mehr Menschen entscheiden sich für einen Hund, der seine Wurzeln in anderen Ländern hat und sind dann von den unerwarteten Herausforderungen

 

Ein kritischer Punkt ist, dass Tierschutzorganisationen die zukünftige Adoptanten unzureichend über die Besonderheiten und Folgen einer Adoption eines Hundes mit Wurzeln in anderen Ländern aufklären. Häufig werden diese Hunde extrem positiv in den schillerndsten Farben inseriert. Ihre Eigenheiten und Rassenmerkmale werden nicht erwähnt oder bewusst verschwiegen, in der Hoffnung den Tieren die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Aufklärung, wenn sie denn stattfindet, beschränkt sich meist darauf, dass die neuen Halter dem Hund Zeit zur Eingewöhnung geben sollen. Was i.d.R. fehlt ist der Hinweis auf die lebensraumbedingten Prägungen, die der Hund mit sich bringt. Doch gerade dieses Wissen um die Prägung von Auslandshunden ist so wichtig, damit der Hund im Wechsel des Lebensraums verstanden und richtig unterstützt wird. 

 

Schauen wir uns an, wie das Leben der Hunde in ihrem Ursprungsland typischerweise aussieht, unter welchen Bedingungen sie aufwachsen und wie dies ihr Verhalten prägt. Schon allein aus der Art, wie Hunde im Ursprungsland gehalten werden - als Arbeitstiere und nicht als soziale Partner wie hier - lassen sich viele Rückschlüsse ziehen. Wenn möglich, sollte man auch die eventuelle Rassezugehörigkeit und das damit verbundene erwartbare Verhalten einbeziehen. 

 

Um einschätzen zu können, wo bei diesen Hunden Grenzen in der Anpassung zu erwarten sind, muss man zunächst sowohl den Prozess als auch die Definition von Anpassung und Prägung verstehen. Anpassung meint die Verhaltensänderung, die auf äußere Veränderungen reagiert, während Prägung einen speziellen Lernprozess darstellt, der in der sensiblen Entwicklungsphase stattfindet und dessen Ergebnisse selten vergessen werden. Die sensible Phase, auch Präge- und Sozialisierungsphase genannt, findet zwischen der dritten und der zwölften Lebenswoche statt und legt viele wichtige Grundlagen für das spätere Verhalten fest.

 

Für das Einleben eines Tierschutzhundes bei uns ist insbesondere der „langfristige Anpassungsprozess“ von Bedeutung. Dieser bezieht sich auf physiologische Prozesse wie Stoffwechsel und andere Organfunktionen. Man weiß heute, dass es bis zu vier Wochen dauern kann, bis sich die Körpertemperatur und Hormonaktivitäten auf den neuen Rhythmus bei uns in Deutschland eingestellt haben. Die Anpassungsdauer des Stress-Systems braucht sogar noch länger. Wenn ein Tier z.B. kurzfristig in eine neue Umgebung gebracht wird, wie der Urlaubsort oder eine Hundepension, dauert es in der Regel eine Woche bis der Hund sich dort eingelebt hat. Holen wir einen Hund aus einem anderen Land zu uns, erfährt das Tier komplett neue Lebensumstände. Die Dauer der Anpassung/Eingewöhnung erhöht sich in diesem Fall auf 100 Tage bis zu einem halben Jahr!