Die Faszination für Hunde aus dem Tierschutz

Teil 0201.02.2024

Wenn du den ersten Teil zum Thema "Die Faszination für Hunde aus dem Tierschutz" noch nicht gelesen hast, folge gerne einfach dem Link zum 1. Teil

 

 

Darüber hinaus spielt die Prägung auf den ursprünglichen Lebensraum wie Klima, Geräusche, Sprache und Gerüche, Wald, Steppe, Flachland sowie die Beschaffenheit des Bodens (Gras, Lehm, Stein) eine wichtige Rolle. Diese Prägungen sind genetisch fixiert und das Verständnis ist wichtig, um sowohl das normale Verhalten des Hundes als auch seine Biologie zu kennen. Hunde lernen und fixieren diese dreidimensionale Struktur ihres Geburtslebensraums, um überlebenswichtige Informationen zu erhalten. Zu diesen zählen etwa Baumkronen, die Hunden im Wald Schutz bieten, oder Büsche und Felsen, die in unregelmäßigen Landschaften seitlichen Schutz gewähren oder aber weite, flache Kurzgraswiesen. Fehlt einem Hund diese dreidimensionale Prägung, weil er in einem dunklen Stall, Keller oder an einer Kette gehalten wurde, entwickelt sich sein Gehirn nicht korrekt, was dauerhafte Probleme bei der Einschätzung von Hindernissen wie z.B. Treppenstufen verursachen kann. Und das mitunter ein Leben lang! 

 

Auch die Prägung auf Sozialstrukturen und Artgenossen ist von großer Bedeutung. Hunde können sich sowohl an ihre Artgenossen als auch an Menschen binden. Diese findet in der sensiblen Phase statt und legt fest, wen der Hund später als seinen Sozialpartner bevorzugt – einen Artgenossen oder den Menschen. Diese Prägung ist aber nur der Anfang eines komplexen Sozialisationsprozesses, in dem auch die bevorzugte Sozialstruktur – das Leben in der Gemeinschaft oder als Einzelhund – festgelegt wird. Ein Welpe, der frühzeitig zu lange allein gelassen wurde (alleinerziehende Hündin), zeigt möglicherweise später eine Tendenz zum Einzelhunde, wohingegen Welpen, die Zeit mit anderen Hunden oder einem "Babysitter" verbracht haben, eher das Gruppenleben bevorzugen.

Was lernen wir daraus? Nicht jeder Hund möchte also im sozialen Gefüge mit mehreren Hunden leben oder beim Spaziergang neue soziale Kontakte knüpfen. Anders gesagt, die konkrete Struktur des Zusammenlebens und das Leben in einer bestimmten Position im sozialen Gefüge und somit der „soziale Rang“ des Hundes, ergibt sich aus seiner Umweltprägung. Findet sich der Hund später in einem neuen Sozialverband wieder, so wird er die Position suchen, die er in seinem „Geburtssozialverband“ innehatte, auf den er geprägt wurde. 

 

Unwissenheit oder auch ignorieren dieser Tatsachen können aus ganz normalem Verhalten eines Hundes problematisches Verhalten entstehen lassen. Ein Hund, der aus dem Ausland nach Deutschland kommt, ist mit einer ihm unbekannten Sozialstruktur konfrontiert und er erlebt grundlegende Veränderungen. Landet er z.B. bei einer Einzelperson oder einer Kleinfamilie (3 Menschen), obwohl er bis dato in einer Gemeinschaft von vielen Hunden gelebt hat, weiß er nicht, welchen Platz er einnehmen soll, noch wie diese Struktur funktionieren soll. Wenn es ganz unglücklich läuft, wird er sogar versuchen mehrere Stellen gleichzeitig zu besetzen, um annähernd die geprägte Struktur herstellen zu können. 

 

Ersthundehalter oder neue Besitzer, die unsicher sind oder gar einen Hund aus Mitleid "retten" wollen, können das hündische Chaos noch verstärken. Die erworbene „Reaktionsnorm“ des Hundes, sein stabiler, kompetent geführter und sozial vielschichtiger Sozialverband wird eingetauscht mit einer für ihn sowohl im Innen- als auch Außenverhältnis unattraktiven Beziehung. 

 

Um eine gute Integration in das neue Umfeld zu fördern, ist das hier aufgeführte Wissen so wertvoll. Der Aufbau von Vertrauen und die langsame Gewöhnung an die neue Umgebung sind dabei zentrale Aspekte. Es ist also eine Umgewöhnungsphase nötig, in der der Hund nicht nur seine neue Familie, sondern auch eine neue Kultur, Sprache und Umwelt kennenlernt. Mit dem richtigen Maß an Verständnis, Geduld und sachkundiger Anleitung können diese Hunde dennoch zu wunderbaren Begleitern werden, die ihre zweite Chance in einem neuen Zuhause voll ausschöpfen.